Die beiden großen Mysterien Tod und Weltuntergang haben die Menschheit von Anbeginn ihrer Zivilisation besonders fasziniert. Eine Möglichkeit der Auseinandersetzung damit ist die Religion, die andere die utopische Literatur. Während der Tod eher im Genre der Horror- und Gespensterliteratur thematisiert wird, ist der Weltuntergang neben dem Zukunftskrieg seit Beginn der modernen Science Fiction seit den 1890er Jahren ein beliebtes Genrethema. Diese wissenschaftlich begründeten Welt-untergangsphantasien erlebten vor allem in den Jahren vor dem Erscheinen projektierter Kometen wie 1899 und 1910 einen Höhepunkt. Der Untergang der Welt wurde dabei oft als die anthropozentrische Sicht des Untergangs der Erde formuliert, sodass die vollständige Vernichtung des Sonnensystems nur von einigen, dann aber in besonders beeindruckenden Schilde-rungen und Bildern antizipiert wurde.
Die belletristischen Zukunftsapokalyptiker der damaligen Zeit differenzierten zwischen dem zeitnahen und dem zeitfernen Weltuntergang, den sie mit einem Erkalten der Sonne und der damit einhergehenden Vereisung der Erde gleichsetzten. Bei der zeitnahen Apokalypse dominiert die kosmische Katastrophe vor allem durch einen Kometen. Dieser bewirkt eine Pol-verschiebung oder „wirft“ die Erde aus der Bahn, sodass sie in die Sonne stürzt oder sonnenfern erkaltet. Die Erde wird durch einen direkten Zusammenprall oder durch einen Aufprall des Mondes zum Platzen gebracht oder ein Einschlag führt immerhin zu globalen Erdbeben, Tsunamis und Überflutungen. Der Kometenschweif entzieht entweder der Erde den Sauerstoff, tötet mit seinen giftigen Gasen alles Leben oder beeinflusst durchaus origineller den Menschen neuroaktiv durch die Erhöhung seines Aggressionspotentials und stürzt so auch ohne Kometenaufprall die Welt ins Chaos. Dass der Komet zum Heilsbringer wird und der erkaltenden Erde eine neue Sonne bringt, war eher eine literarische Ausnahme.
Sehr beeindruckend sind die Visionen zum Überleben und Aussterben der letzten Menschen auf der vereisten Erde oder auf ihr als wasserverarmten, überhitzten „Wüstenplaneten“ sowie zu den auf einer postapokalyptischen Erde sich evolutionär zurück- oder auch weiterentwickelnden "Nachmenschen". Die wenigen Überlebenden sind geläutert und versuchen eine bessere Zivilisation und Gesellschaft zu formen.
Schon früh wurde angesichts einer möglichen Vereisung oder Zerstörung der Erde entweder das Überleben der Menschen in hochtechnisierten unterirdischen Städten, durch die Ausnutzung der Erdwärme oder die Erwärmung durch Elektrizität antizipiert sowie die Evakuierung der Menschen mit technischen Mitteln im Luftschiff auf andere Planeten belletristisch vollzogen, womit die heute weitgehend vergessenen Autoren aktuell state of the art sind.
Der heutige Leser wird deshalb erstaunt in dieser Anthologie feststellen, dass apokalyptischen Ideen schon vor mehr als 100 Jahren in der deutschen Science Fiction präsent waren, die oft erst in den 1950er Jahren von der bis heute führenden anglo-amerikanischen SF wieder aufgenommen wurden.
Inhalt:
Zum apokalyptischen Geleit
1896 Vincenz Chiavacci Der Weltuntergang
1899 Paul Scheerbart Platzende Kometen
1901 Robert Kraft Die Totenstadt
1902 Gustav Kühl Hypothesen
1904 Theodor Seuberlich Die letzten Menschen
1905 J. Tribby Das große Ende
1906 Max Haushofer Wenn kein Wasser mehr rauscht
1907 Max Haushofer Zukunftsbilder
1907 Max Haushofer Nachmenschen
1907 Carl Grunert Der letzte Mensch
1909 Georg Heym Die niedren Himmel hingen auf dem Rand
1910 R. Crusoe Die letzten Menschen
1910 Adolf May Die große Katastrophe
1910 Ernst Lübbert Der Weltuntergang in Bildern
1913 Wilhelm Schmidtbonn Der letzte Mensch
Apokalyptische Bibliographie
314 Seiten mit 66 apokalyptischen Original-Illustrationen, Nachwort und Bibliographie Bibliophile Hardcover-Ausgabe mit Leseband ISBN 978-3-946366-58-4 49, 80 Euro
Noch mehr Weltuntergänge vor 100 Jahren
Eine Sonderstellung bei den Weltuntergangsphantasien nimmt der innovative Apokalyptiker Paul Scheerbart ein, der nicht nur den Weltuntergang mehrfach dramatisierte, sondern auch eine postapokalyptische Erde beschreibt, in der nur die guten Menschen weiterleben dürfen, ansonsten die Menschheit in den vielfältigsten Szenarien untergehen lässt, so durch ein körperlähmendes Kometensalz und durch eine kometeninduzierte Verglasung.
Die „herstellbare Katastrophe“ durch die Technik ist mit Beinahe-Weltuntergängen durch futuristische Massen-vernichtungswaffen vor 1900 noch die Ausnahme. Später werden dann technisch induzierte Apokalypsen durch eine akustische Umwandlung der Menschen in violette Schleimkegel und die erste weltweite, vorsätzlich durch einen Chemiker verursachte Ölpest antizipiert. Auch sonst sind es oft Chemiker, die beispielsweise den „Grünen Tod“ aus der Retorte auf die Menschheit loslassen, den Planeten durch ein neues Element zur Explosion bringen oder Maschinen die Macht übernehmen lassen.
Zur freundlichen Beachtung: 11 der 33 Weltuntergangsphantasien dieser 2-bändigen Anthologie sind auch in dem Band "Die letzten Menschen" enthalten. Die 3 apokalyptischen Novellen von R. Crusoe, Gustav Kühl und J. Tribby wurden hingegen exklusiv nach mehr als 100 Jahren erstmals nur in "Die letzten Menschen" veröffentlicht.
Der Weltuntergang vor 100 Jahren Band I
17 Apokalyptische Zukunftsvisionen 1892 - 1907
306 Seiten mit 36 Original-Illustrationen und Einleitung
Bibliophile Hardcover-Ausgabe mit Leseband
ISBN 978-3-946366-41-6
39, 80 Euro
Inhalt:
1892 Josef Kohler Die Zukunft der Erdbevölkerung
1895 Friedrich Thieme Der Weltuntergang
1896 Vincenz Chiavacci Der Weltuntergang
1897 Paul Scheerbart Das neue Leben
1898 Paul Scheerbart Platzende Kometen
1898 Manfred Fuhrmann Über das Ende der Erde
1898 J. P. Europas Untergang
1899 Willy Weber Die Welt geht unter!
1901 Robert Kraft Die Totenstadt
1902 N. N. Weltuntergang
1902 Gustav Meyrink Der violette Tod
1903 Gustav Meyrink Petroleum, Petroleum
1904 Theodor Seuberlich Die letzten Menschen
1906 Max Haushofer Wenn kein Wasser mehr rauscht
1906 Max Haushofer Nachmenschen
1907 Franziska Wolf Zukunftsmusik
1907 Carl Grunert Der letzte Mensch
Der Weltuntergang vor 100 Jahren Band II
16 Apokalyptische Zukunftsvisionen 1908 - 1914
306 Seiten mit 16 Original-Illustrationen, Bibliographie u. Nachwort
Bibliophile Hardcover-Ausgabe mit Leseband
ISBN 978-3-946366-42-3
39, 80 Euro
Inhalt:
1908 Carl Grunert Das Ende der Erde?
1909 Paul Scheerbart Der gläserne Schrecken
1909 Georg Heym Die niedren Himmel hingen auf dem Rand
1909 Robert Heymann Der rote Komet
1909 Friedrich Thieme Weltbeben
1909 Friedrich Lorenzen Ganz allein auf der Welt
1910 Adolf May Die große Katastrophe
1910 Ernst Lübbert Der Weltuntergang in Bildern
1911 Friedrich Wilhelm Mader Eine Weltkatastrophe
1911 Hermann Dreßler Das Ende des Mondes
1912 Julius Kreis Die Sprachverwirrung
1912 Hermann Eßwein Der Weltuntergang aus der Retorte
1913 Fritz von Briesen Das Ende der Welt
1913 Fritz Müller Die Maschine
1913 Wilhelm Schmidtbonn Der letzte Mensch
1914 Alfred Meyer Der erste Mensch
Vom Roten Kometen bis zum "Grünen Tod" - Deutsche Weltuntergangsphantasien 1892 - 1914
Auswahlbibliographie