In einer Zeit (1871 - 1914), in der Frauen kein Wahlrecht hatten, als Schiedsperson lediglich aufgrund ihres Geschlechtes abgelehnt werden konnten, nicht studieren durften, Versorgungsehen und Geldheiraten üblich waren, aber auch junge Männer ihre ersten sexuellen Erfahrungen oft nur im Bordell oder mit Dienstmädchen machen konnten, ist es heute besonders interessant zu sehen, wie sich Frauen und Männer die Zukunft der Frau und der Liebe, die Frauenwelt und die Emanzipation in der Zukunft vorgestellt haben.
Der heutige Leser kann im Banne dieser Vergangenheit und den vergangenen Zukunftsvisionen sein eigenes aktuelles Liebesleben reflektieren und feststellen, was denn heute von den Liebesutopien und den geplanten Zukunftswelten der Frauen alles eingetroffen ist und was noch einer Verwirklichung harren könnte.
Anlässlich des 110. Internationalen Frauentags am 8. März 2020
8 Feministische und antifeministische Utopien von Frauen 1899 - 1914
Es waren nur wenige Frauen, die vor 100 Jahren Science Fiction geschrieben haben, doch haben diese höchst originelle Zukunfts-visionen aus einem feministischen und erstaunlicher Weise oft sogar antifeministischen Blickwinkel verfasst, in denen die damaligen inferioren Lebensverhältnisse der Frauen, aber auch andere missliche Gesellschaftszustände kritisiert wurden. Therese Haupt geriert sich dabei sogar als eine Art weiblicher Kurd Laßwitz.
So herrschen in der hochtechnisierten, globalen Welt des Jahres 2500 Amazonen-Wissenschaftlerinnen über infantile Männer. In der Lüneburger Heide wollte die Mädchenbuchautorin Magda Trott schon 1914 einen Frauenstaat als Teil des Deutschen Kaiserreichs etablieren und auf dem Mars existiert eine blühende Frauenwelt streng getrennt von den Männern. Im zukünftigen Europa schließ-lich ist der Mann im Jahre 1950 vom Aussterben bedroht, bis die Frauen einen Massen-Selbstmord begehen und so Europa vor dem Untergang bewahren. Schon 1910 wurden femininfreie Frauen und masculinfreie Männer sowie Retortenbabys antizipiert und es wurde das Zusammenfinden der Geschlechter in der Zukunft aus-schließlich durch die "radioaktiven Strahlen der Liebe" prophezeit.
Inhalt:
1899 Therese Haupt Die Frau nach fünfhundert Jahren
1907 Franziska Wolf Weibliche Zukunftsmusik
1908 H. W. Das Ewig-Weibliche im Jahre 2500
1910 E. Tanne Die Frauenwelt auf dem Mars
1910 Ellen Key Die Frau in hundert Jahren
1910 Dora Dyx Die Frau und die Liebe in 100 Jahren
1914 Magda Trott Vor der Gründung des Frauenstaates
1914 Luise Schulze-Brück Die Frau der Zukunft
Die Frau der Zukunft vor 100 Jahren
8 Feministische und antifeministische Utopien von Frauen 1899 - 1914
Eleganter Glanz-Paperback 20 cm x 13,5 cm
212 Seiten mit 32 ganzseitigen Originalillustrationen und -karikaturen sowie umfangreichem bio-biblio-graphischen Nachwort zur "Frau der Zukunft in der Karikatur vor 100 Jahren" und den "Antizipationen vor 100 Jahren zur Frau der Zukunft“.
5. erweiterte und vollständig überarbeitete Auflage 2019
ISBN 978-3-946366-22-5
29,80 Euro
Die bisher umfangreichste Anthologie zur Science Fiction der Kaiserzeit
Auf 562 Seiten stark erweiterte Neuauflage mit nun 28 utopisch-erotischen Novellen, April 2019
Die Geburt der modernen deutschen Science Fiction 1871 erfolgte mit den Zukunftsliebesgeschichten vom Vater der modernen deutschen Science Fiction, Kurd Laßwitz (1848 - 1910), die durchaus frei nach Schweikert als „Am Anfang war der Höhepunkt“ bewertet werden können. Der 23-jährige Laßwitz fabulierte in komplizierten Dreiecks-beziehungen nicht nur über die Liebe im 39. Jahrhundert, in dem die Liebe mit einer Weltformel errechnet wird, sondern auch über die extraterrestrische Liebe eines Cerebrer-Pärchens. Seine "Oxygen und Aromasia" sind bis heute die Romeo und Julia der deutschen Science Fiction.
In den späteren Novellen kommen hingegen die Liebenden durch Zukunftstechnik zusammen bzw. die Zukunftstechnik ist der Garant für eine glückliche und dauerhafte Beziehung. Doch auch die Liebesentfremdung durch die Technik in Fernbeziehungen mit telephonisch übertragenen Gefühlen, Automatenfrauen und seelenlosen synthetischen Schönheiten, die Gleichmachung und Umkehrung der Geschlechter, die „Verweiblichung“ der Männer zu säuglingsstillenden „Weiberichen“ oder der Kauf von Liebe und Ehefrau im Warenhaus sowie die Manipulation von Gefühlen durch Chemikalien und eine Art "Lackmuspapier der Liebe" werden zumeist humorvoll geschildert. Sogar die Liebe zu einem außerirdischen Blumenwesen und einer lichtblauen Himmelsfrau sind Thema von Erzählungen, während andere Autoren antierotische und asexuelle Liebesdystopien mit in Säcken, die man heute Burka nennt, gekleidete Frauen und (!) Männer sowie Sex Ü 30 für die nahe Zukunft antizipierten. Auch der "Antierotiker" Paul Scheerbart favorisierte bei seinen Venusbewohnern eine asexuelle Fortpflanzung und setzt in einer Himmlischen Ehe ganz auf die platonische Liebe. Für Fritz von Briesen sind im 25. Jahrhundert im Reich von Kaiser Wilhelm XXIII. die Frauen vom Aussterben bedroht und Frauen ohne Brille mit Blondhaar und Busen sind exotische Seltenheiten geworden.
Erotik wird aufgrund der Prüderie und Zensur der damaligen Zeit im Wilhelminischen Kaiserreich fast ausschließlich nur dezent angedeutet, wenngleich der für die Zukunft antizipierte Sex auf Knopfdruck 1897 schon revolutionär war, Gustav Meyrink 1904 erotische Zukunftssitten beschreibt, in denen Frauen mit ihren Brüsten applaudieren, und Hans Flesch 1914/17 sogar einen wehrkraftzersetzenden Luststaat „Libertia“ ausrief und eine weibliche Dreiklassengesellschaft mit Beruftstätigen, Müttern und Prostituierten postulierte. Von besonderer Bedeutung sind auch die eierlegenden Frauen von H. H. Ewers 1906 und die utopische Erziehungsanstalt von Frank Wedekind 1901, in der Frauen von Geburt an zu staatlichen Prostituierten erzogen werden und Promiskuität als oberstes Staatsprinzip gilt, sowie die 3 expressionistischen SF-Liebesgeschichten 1918/19 von Salomo Friedlaender (Mynona) über ein utopisches Brautbett, eine extraterrestrisch-nichthumanoide Braut und die Totale Vereinigung.
Inhalt:
1871 Kurd Laßwitz Oxygen und Aromasia
1877 Kurd Laßwitz Liebe gegen das Weltgesetz
1897 Paul Scheerbart Himmlische Ehe!
1897 Johannes Cotta Eine elektrische Ehe
1900 Hermann Löns Lex Heinze
1901 Frank Wedekind Mine-Haha
1903 Carl Grunert Die Fern-Ehe
1904 Gustav Meyrink Hony soit qui mal y pense
1905 Siegmar Schultze-Galléra Im Reiche der Phäaken
1906 Hanns Heinz Ewers Anthropoovaropartus, die eierlegende Frau
1906 Friedrich Gruner Fräulein Cocos Werbung
1907 Otto Grautoff Die Automatenfrau
1908 Friedrich Streißler Odorigen und Odorinal
1909 Friedrich Thieme Das Warenhaus der Zukunft
1909 Friedrich Thieme Das lebende Bild
1909 A. Ulrich Luftdroschke Nummer 5599
1911 Fritz von Briesen Der Sonnenlicht-Automat
1911 Paul Scheerbart Die neue Oberwelt der Venushaut
1908 Friedrich Streißler Das Radium als Ehestifter
1913 Carl Grunert Der Ätherseelenmensch
1913 Wilhelm Schmidtbonn Der Flieger und die Himmelsfrau
1914 Fritz von Briesen Der Liebes-Bazillus
1914 Rudolf Bartzsch Das Autokino
1914 Hans Flesch Die Revolution der Erotik
1917 Hans Flesch Der Satan im Luststaat „Libertia“
1919 Salomo Friedlaender Das widerspenstige Brautbett
1918 Salomo Friedlaender Die langweilige Brautnacht
1918 Salomo Friedlaender Beschreibung meiner Braut
Die Liebe der Zukunft vor 100 Jahren
28 Utopisch-erotische Novellen 1871 - 1919
Eleganter A5-Hardcover mit Leseband
562 Seiten mit 22 ganzseitigen Originalillustrationen
4. stark erweiterte Auflage 2019
ISBN 978-3-946366-21-3
49,80 Euro